Vorzeitiger Samenerguss – die häufigste Sexualstörung

Zu früh kommen, der vorzeitige Samenerguss, kann belastend für deine Beziehung sein. Männer allen Alters können betroffen sein. Alle Infos im folgenden Beitrag.

Inhalt

1. Was ist ein vorzeitiger Samenerguss?
2. Die medizinische Definition des vorzeitigen Samenerguss
3. Mögliche Ursachen für den vorzeitigen Samenerguss
4. Umgang mit dem vorzeitigen Samenerguss als Paar
5. Therapie eines vorzeitigen Samenergusses
6. Lokal wirkende Medikamente
7. Off-label use von anderen Medikamenten
8. Antidepressiva (Medikamente gegen Depressionen)
9. Schmerzmittel
10. Mittel gegen Erektionsstörungen
11. Orale Medikamente speziell gegen den vorzeitigen Samenerguss
12. Psychotherapie

Was ist ein vorzeitiger Samenerguss?

Ein vorzeitiger Samenerguss oder auch Ejaculatio praecox ist eine der häufigsten Sexualstörungen bei Männern. Dabei kann diese im Gegensatz zur Impotenz Männer allen Alters betreffen. Außerdem ist die Bewertung eines vorzeitigen Samenergusses auch immer subjektiv. So kann für den einen ein Samenerguss nach 5 Minuten schon vorzeitig sein, während das für jemand anderen völlig normal ist. Außerdem sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es in bestimmten Zeiten nichts Ungewöhnliches ist:

- bei ersten sexuellen Erfahrungen
- bei Anfang einer neuen Beziehung
- nach einer Phase längerer Enthaltsamkerit

Das Gefühl unter dieser Störung zu leiden, wird häufig auch durch unrealistische Vorstellungen zur Dauer von Sex hervorgerufen. Dazu wurde beispielsweise eine Studie an der Universität in Köln durchgeführt. In dieser Studie wurden Männer mit untersucht, die unzufrieden mit ihrem Sexualleben waren und unter vorzeitiger Ejakulation zu leiden glaubten. Dabei wurde die Dauer des Geschlechtsverkehrs mit der von gesunden Männern verglichen. Insgesamt zeigte sich, dass die Dauer bei den Männern mit vorzeitigem Samenerguss im Durchschnitt 2 Minuten und 32 Sekunden betrug und bei gesunden Männern etwa 3 Minuten und 1 Sekunde.

Insgesamt liegt die durchschnittliche Zeit bis zum Samenerguss etwa bei 5 Minuten und 4 Sekunden, wie in einer Studie an 491 Paaren aus insgesamt 5 verschiedenen Ländern gezeigt wurde. Das ist aber nur ein Mittelwert, der keinesfalls als Vergleich gesehen werden sollte. Denn abgesehen von einer extrem kurzen Zeit, hat die Dauer des Geschlechtsverkehrs keine Aussagekraft über die Befriedigung.

Die medizinische Definition des vorzeitigen Samenerguss

Zu diesem Thema gibt es zwei wichtige Begriffsbestimmungen:

1) So wird zum einen zwischen einem primären (lebenslanger) und einem sekundären (erworbenen) Ejaculatio praecox unterschieden. Bei ersterem ist das Problem schon seit Beginn der sexuellen Aktivitäten vorhanden. Bei zweitem war auch schon einmal ein Zeitraum vorhanden, in welchem die Dauer bis zum Samenerguss als normal empfunden wurde.

2) Außerdem ist noch der Begriff der intravaginalen Ejakulationslatenzzeit von Bedeutung. Dieser wird mit IELT abgekürzt, da der Begriff vom Englischen "intravaginal ejaculation latency time" übersetzt wurde. Die IELT bezeichnet die Zeit zwischen dem Einführen des Penis in die Vagina und dem Anfang des Samenerguss.

Es gibt verschiedene Definitionen eines Ejaculatio praecox in der Medizin, allerdings ist eine der präzisesten diese:

Bei der Ejaculatio praecox handelt es sich um eine sexuelle Dysfunktion des Mannes, welche durch folgende Punkte charakterisiert ist:

- Die Ejakulation erfolgt immer oder meistens vor oder spätestens eine Minute nach Einführen des Penis in die Vagina
- Die Ejakulation kann bei jeder oder fast jeder vaginalen Penetration nicht verzögert werden
- Die Störung hat negative, persönliche Auswirkungen, wie beispielsweise Ärger, Frustration, Leidensdruck und/oder die Vermeidung von sexuellen Handlungen zur Folge

Wenn diese Definition auf dich nicht zutrifft und du und deine Partnerin aber trotzdem nicht zufrieden sind, dann findest du weiter unten vielleicht passende Informationen. Im Abschnitt "Umgang mit dem vorzeitigen Samenerguss als Paar" kannst du ein paar Tipps finden, die dir helfen können.

Mögliche Ursachen für den vorzeitigen Samenerguss

Früher wurden nur psychische Faktoren als Auslöser für einen vorzeitigen Samenerguss in Betracht gezogen. Seit etwa 20 Jahren werden jedoch auch neurobiologische Vorgänge mit einbezogen, da diese eine große Rolle spielen können. So kann eine lebenslang bestehende Ejaculatio praecox sowohl psychische Ursachen haben als auch durch eine Weiterleitungsstörung oder einem Verarbeitungsfehler von Nervensignalen bedingt sein.

Das kann zum Beispiel durch eine ungleiche Konzentration oder einen Mangel an Neurotransmittern verursacht werden. Auch bei der erworbenen Ejaculatio praecox können psychische Ursachen vorliegen. Allerdings kann sie ebenso durch körperliche Krankheiten verursacht werden, beispielsweise eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder eine chronische Prostataentzündung (Prostatitis). Der vorzeitige Samenerguss tritt außerdem sehr häufig gemeinsam mit Erektionsstörungen auf.

Umgang mit dem vorzeitigen Samenerguss als Paar

Am wichtigsten ist die Aussprache mit der Partnerin. Denn ein offenes Gespräch kann der erste Schritt zu einer Veränderung sein, wenn der vorzeitige Samenerguss als belastend angesehen wird. So können unter anderem auch die unterschiedlichen Erwartungen an den Geschlechtsverkehr ausgetauscht werden. Das Gespräch kann aber nur dann zu Nähe und Intimität führen, wenn dabei beide Partner offen über ihre Gefühle reden.

Gleiches gilt auch für die Gefühle während des Sex. Das kann zum Beispiel die Angst vor dem Verlassen werden sein oder auch die Wirkung des vorzeitigen Samenerguss auf das eigene Selbstwertgefühl. So kann es sein, dass die Partnerin die Dauer des Geschlechtsverkehrs ganz anders wahrnimmt und vollkommen zufrieden damit ist. Eine andere Lösung könnte sein, dass sich Mann und Frau darauf einigen, dass die Frau vor oder nach dem Höhepunkt des Mannes auf eine andere Art zum Orgasmus gebracht wird. Sollte das Gespräch jedoch keine ausreichenden Lösungen bringen, so gibt es andere mögliche Lösungswege:

- Nach dem ersten Samenerguss wird so schnell wie möglich ein erneuter Versuch gestartet
Die Zeit bis zu einem erneuten Orgasmus ist kurz nach dem ersten Orgasmus meistens sehr viel länger als vorher. Die Partnerin könnte also den Penis des Mannes nach dem ersten Versuch bis zu einer erneuten Erektion stimulieren, beispielsweise durch Oralverkehr. Sollte eine Unterbrechung der Partnerin nicht gefallen, dann kann der erste Orgasmus auch schon vor dem Geschlechtsverkehr erfolgen. Das kann durch den Mann selbst erfolgen oder durch seine Partnerin. Dieses Vorgehen funktioniert allerdings nur dann, wenn dadurch kein zusätzlicher Druck auf den Mann ausgeübt wird.

- Kontrolle über die Ejakulation üben
Im Internet gibt es einige Übungen, die Kontrolle über die Ejakulation versprechen. Diese sind natürlich einen Versuch wert, allerdings sollten keine Wunder erwartet werden.

- Rezeptfrei verfügbare Medikamente
Es können mittlerweile in jedem Sexshop Salben und Sprays gekauft werden, die zu einer verminderten Empfindlichkeit der Eichel führen. Diese sorgen bei vielen Männern für eine längere Dauer bis zum Samenerguss. Mittlerweile sind auch Kondome verfügbar, die schon von vorneherein innen eine Schicht dieser Salbe aufweisen. Mehr Informationen zu den verschiedenen Medikamenten kannst du im nächsten Abschnitt finden.

Therapie eines vorzeitigen Samenergusses

Sollten die oben genannten Tipps keine befriedigende Lösung herbeigeführt haben, so sollte als Nächstes ein Arzt aufgesucht werden. Dabei sollte es sich am besten um einen Experten für Sexualstörungen handeln. Dieser wird in einem sehr ausführlichen Vorgespräch zunächst mögliche Ursachen eingrenzen. Anschließend kann es zu verschiedenen Untersuchungen kommen, damit körperliche Ursachen entweder ausgeschlossen oder festgestellt werden können. Wird die Störung tatsächlich durch eine andere Erkrankung ausgelöst, dann wird natürlich die Krankheit therapiert. Handelt es sich nicht um eine körperliche Krankheit, dann kann der Arzt die folgenden Behandlungsschritte nutzen:

Lokal wirkende Medikamente

Hierbei handelt es sich um sogenannte Lokalanästhetika, also um lokale Betäubungsmittel. Darin sind häufig Wirkstoffe wie beispielsweise Lidocain oder Prilocain enthalten. Diese haben wie oben beschrieben eine verminderte Empfindlichkeit des Penis zur Folge und können mittlerweile in jedem Sexshop gekauft werden. Bei der Anwendung muss unbedingt ein Kondom benutzt werden oder das Mittel kurz vor dem Sex abgewaschen werden. Ansonsten setzt es auch die Empfindlichkeit der Vagina der Partnerin herab.

In medizinischen Studien wird sehr häufig die Verwendung von EMLA beschrieben. Dabei handelt es sich um eine Creme, die eigentlich als Anästhetikum bei kleinen Operationen an der Haut verwendet wird. Sie kann jedoch auch bei vorzeitigem Samenerguss genutzt werden. Dafür werden die Eichel und der obere Teil des Penisschaftes etwa 20 Minuten vor Beginn des Geschlechtsverkehrs hauchdünn mit der Creme bestrichen. So konnte in Studien zu EMLA eine Erhöhung der IELT festgestellt werden, welche vorher bei unter 1,5 Minuten lag. Die Creme ist allerdings rezeptfrei nur in Apotheken erhältlich.

Außerdem ist mittlerweile auch ein Spray speziell gegen den vorzeitigen Samenerguss verfügbar. Dieses enthält die Wirkstoffe Lidocain und Prilocain und ist seit 2014 unter dem Namen Fortacin von Recordati Pharma GmbH erhältlich. Das Spray ist einfacher zu dosieren als eine Salbe und muss nur 5 Minuten vor dem Sex aufgetragen werden. Außerdem kann es vor dem Sex sehr einfach mit einem feuchten Tuch entfernt werden. Auch hier zeigte sich in einer Studie, dass das Spray die IELT signifikant erhöhen konnte.

Off-label use von anderen Medikamenten

Es gibt einige Medikamente, die eine verlängerte Zeit bis zur Ejakulation als Nebenwirkung aufweisen. Diese ist eigentlich ja unerwünscht, da die Medikamente ursprünglich für einen anderen Verwendungszweck entwickelt wurden. Deshalb sind diese Medikamente auch nicht für die Therapie einer Ejaculatio praecox zugelassen, allerdings kann ein Arzt diese innerhalb der Therapiefreiheit trotzdem verschreiben. Das wird dann als off-label use bezeichnet.

Antidepressiva (Medikamente gegen Depressionen)

Es gibt einige Antidepressiva, die akzeptable Erfolge bei der Behandlung eines vorzeitigen Samenerguss gezeigt haben. Dazu gehören beispielsweise die sogenannten SSRIs (selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) wie Paroxetin (unter dem Markennamen Seroxat® verfügbar), Sertralin (unter dem Markennamen Zoloft® verfügbar) oder Fluoxetin (unter dem Markennamen Fluctin® verfügbar). Auch das tryziklische Antidepressivum Clomipramin (unter dem Markennamen Anafranil® verfügbar) hat einige Erfolge gezeigt. Allerdings können mit diesen Medikamenten auch noch einige andere schwere Nebenwirkungen einhergehen, darunter Erektionsstörungen und Verlust der Libido. Deshalb kann es sein, dass diese Medikamente eher kontraproduktiv wirken.

Die Medikamente können sowohl täglich als auch auf Bedarfsbasis eingenommen werden. In Studien wurden jedoch bessere Ergebnisse bei der täglichen Einnahme erzielt. Insgesamt wies Paroxetin die beste Wirkung auf und konnte die IELT auf den 9-fachen Wert steigern. Allerdings werden die besten Ergebnisse erst 1 bis 2 Wochen nach der ersten Einnahme erzielt. Die Medikamente dürfen auf keinen Fall plötzlich abgesetzt werden, denn das kann zu schweren Nebenwirkungen führen. Wird das Medikament nur im Bedarfsfall genutzt, dann sollte es mindestens 3 bis 6 Stunden vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden.

Schmerzmittel gegen Erektionsstörungen

In Studien mit einer geringen Teilnehmerzahl wurde auch das Schmerzmittel Tramodol erfolgreich gegen den vorzeitigen Samenerguss angewendet. So konnte Tramodol die durchschnittliche IELT teilweise um das 6 bis 12-fache erhöhen. Das Schmerzmittel kann allerdings auch erhebliche Nebenwirkungen haben. Dazu gehören beispielsweise Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Benommenheit. Außerdem kann es abhängig machen, weshalb das Mittel nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden sollte.

Mittel gegen Erektionsstörungen

Hierbei handelt es sich um sogenannte PDE-5-Hemmer, wie beispielsweise Cialis®, Viagra®, Levitra® oder Spedra®. Sie sind eigentlich für den Gebrauch bei Erektionsstörungen gedacht und wurden nicht gegen vorzeitigen Samenerguss entwickelt. Es gibt trotzdem einige Berichte von Männern, die mithilfe dieser Medikamente ihre IELT erhöhen konnten. Es gibt jedoch noch keine festen Ergebnisse aus Studien, die diese Berichte untermauern, da die Befunde insgesamt widersprüchlich sind. Allerdings konnte eine neue Studie einen positiven Einfluss von Levitra® auf die IELT feststellen.

Orale Medikamente speziell gegen den vorzeitigen Samenerguss

Seit 2009 ist in Deutschland auch das auf Rezept erhältliche Medikament Priligy® verfügbar. Dabei handelt es sich um SSRI, der extra für die Behandlung der Ejaculatio praecox entwickelt wurde. Das Medikament enthält den Wirkstoff Dapoxetin und sollte etwa 1 bis 3 Stunden vor dem Sex eingenommen werden. Das Medikament hat nur eine Halbwertszeit von 90 Minuten, wodurch der Wirkstoff nach 24 Stunden schon fast komplett aus dem Körper verschwunden ist. Deshalb kann das Mittel täglich eingenommen werden. Außerdem kann es mit Medikamenten gegen Erektionsstörungen kombiniert werden.

In den Zulassungsstudien zu dem Medikament zeigte sich eine deutliche Erhöhung der IELT. Zusätzlich zeigte sich auch eine erhöhte Zufriedenheit der Männer und ihrer Partnerinnen mit dem Geschlechtsverkehr. Auch dieses Medikament kann einige Nebenwirkungen haben, wie zum Beispiel Übelkeit, Durchfall, Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit. Allerdings zeigten sich diese Nebenwirkungen in der Studie meist nur sehr leicht und verringerten sich nach längerer Einnahme.

Psychotherapie

Ein vorzeitiger Samenerguss kann einen starken Leidensdruck bei dem Betroffenen und auch seiner Partnerin auslösen. Häufig können die Paare auch nicht offen darüber reden und zusammen nach einer passenden Lösung suchen. Das kann dann sogar zu einer Vermeidung von sexueller Annäherung führen. In solchen Fällen kann beispielsweise eine Sexualtherapie hilfreich sein. Durch die Therapie kann das Sexualleben wieder neu aufgebaut und entspannter und befriedigender werden.